° lebensmut
an originalen ist in berlin ja kein mangel, wer schon länger hier ist, erinnert sich vielleicht an die alte frau mit den drei einkaufswagen voller blauer (müll)säcke, die auf dem kudamm lebte, die erleuchtete ältere dame, die mit dem "Ficken für Christus" transparent (sorry, ich weiss den text nicht mehr so genau) tagaus, tagein an der gedächtniskirche demonstriert hat, an den alten mann mit seinem, wie ein pakistanisches taxi masslos überdekorierten rollstuhl, der bei jeder loveparade und bei jedem csd mitfuhr, an Lady Sunshine, die drogenabhängige, die man überall in kreuzberg in den bars treffen konnte, und die immer wieder ihre freidrinks bekam, auch wenn man sie regelmäßig nach bühnenreifen ausrastern rauswerfen musste. Sie alle sind verschwunden, einige schon tot und es gibt immer weniger dieser randfiguren, für die ich berlin so liebe. Heute habe ich in der u-bahn eine von ihnen wiedergesehen, ein erschreckendes bild, mit dem umzugehen mir ziemlich schwer fällt: eine frau völlig unbestimmbaren alters und so dünn, dass ich unwillkürlich assoziationen zu comics, zu fiktiven, gezeichneten figuren hatte, weil es einfach unmöglich erscheint, so dünn zu sein. in krassem gegensatz zu dieser zerbrechlichkeit steht ihr bestimmtes, fast agressives auftreten, die art, mit der sie ihr äußeres inszeniert: eine grotesk voluminös wirkende strickmütze, dazu sehr kurze hose, ärmellose weste, aus denen ihre arme und beine herausragen, mit faltiger haut bezogene knochen, nicht dicker als die krücke, die sie dabeihat und auf die sie sich lehnt, wenn sie wie früher mit lauter klarer stimme um eine spende für ihren lebensmuut bittet, immer mit mit starker betonung auf der letzten silbe und sehr langgezogenem uuu...
26.07.2001
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Die Plastiktütenfrau kannte ich auch, es gab mal einen längeren Artikel über sie in der Berliner Zeitung. Und die Skelettfrau fährt immer auf bestimmten U-Bahn-Strecken (U7, wenn ich mich recht erinnere). Über sie sah ich mal einen Fernsehbeitrag in einem dieser "Boulevard-Magazine". Angeblich soll sie ihr ganzes Geld, das sie erbettelt ihrem Sohn zur Verfügung stellen, natürlich sollen das horrende Summen sein und dass sie so dünn ist, liegt an einer Stoffwechselkrankheit. So das Fernsehen, nicht ich.
roland, 26.07.2001
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Aus der Abteilung »Besserwisserei«: U8 (ich habe sie fast jeden Abend auf meinem Nachhauseweg), aber auch auf der U1 (Kotti) habe ich sie schon einmal gesichtet...

Außerdem gab's in den 80er Jahren noch Tarzan (der auch im Winter fast nackt - nur mit einer Fellhose bekleidet - und barfuß durch Moabit lief) und den Sendermann, der mit Sandwichtafeln am Kudamm stand und vor Sendern (ich glaube von irgendwelchen Außerirdischen), die wir alle im Gehirn hätten, warnte.
Der Schockwellenreiter, 26.07.2001
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Wo wir schon dabei sind: der Slogan der Frau am Kudamm war "Ficken ist Frieden"!!! Und es gab auch mal auf Wahre Liebe oder so einen Bericht über sie, sie hat nämlich irgendwelche verblendeten Jünglinge in die Liebe eingewiesen, ihre Schüler (das waren traurige Gestalten, sage ich Euch).

Die dünne grüne Frau mit der Fistelstimme kenne ich auch schon seit Jahren (wird sogar in meiner guten alten Loveparade-Story erwähnt), allerdings hauptsächlich auf der Linie 7.

Und dann gab es noch in Charlottenburg so eine etwas dickere, die immer in Riesen-Parka und so eingepackt war. Die stank auch auf Meilen. Naja, einmal lag sie in einem Bushaltestellenhäuschen und sonnte sich oben ohne. Das war ein Anblick :-)

Aber am meisten nervt mich so ein Kerl der immer am Südstern steht und immer sagt 'Haben sie vielleicht ein paar Groschschschschen?'. Ich könnte ihn...

Ach ja, und dann gibt es noch den Haltestellenansager, hauptsächlich auf den U-Bahn-Linien 1 und 2, wurde aber auch schon divers andernorts gesichtet. Ist 40 oder so und wohnt noch bei Mama (gab's auch mal nen Bericht drüber) kennt aber das komplette Bevauge-Netz inkl. Umsteigemöglichkeiten auswendig und ersetzt den Schaffner. Wacht auch argwöhnisch darüber, daß man sich an sein Kommando 'zurückbleiben' hält. Zitat: 'Zurückbleiben hab ich gesagt Du Arsch mit Ohr!'. Man erkennt ihn immer daran, daß man einen U-Bahn-Wagen betritt in dem alle grinsen. Dann kann er nicht weit sein.
Sean, 26.07.2001
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und die nachtigall aus willmersdorf, bekannt aus funk und fernsehen. eher etwas aggressiver, wenn man ihr nix gibt.
stefan, 26.07.2001
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Nachtigall aus Wilmersdorf? Erzähl. Habe zwar viele Jahre in Wilmersdorf gewohnt, meide diesen Bezirk aber heutzutage tunlichst.
Sean, 26.07.2001
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Und der Typ mit Rock, auch ganz dünn, der immer im EX die Aschenbecher geleert hat. Den Rock trug er wegen einer Knie-Krankheit (sagte er). Und die Alte aus dem Anfall, die immer ihre Titten zur Schau gestellt hat (was bei ´ner 70jährigen nicht unbedingt vorteilhaft ist) und einem das Bier ausgetrunken hat. Jajaaa, und die gute alte Sunshine.....Gibt´s für all die kein Wachs- oder Holofigurenkabinett?
k, 26.07.2001
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die nachtigall stammt übrigens nicht aus wilmers- sondern aus ramersdorf, wo immer das im detail nun liegen mag... ein ziemlich tuckiger alter herr, dessen stimmliche qualitäten seinem namen hohn sprechen, recht bekannt aus presse, film und fernsehen...
mB, 31.07.2001
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[Nachtrag: unter dieser adresse gibt's mehr informationen zu 'lebensmuuut']
mB, 23.01.2002