Der Format C:\-Cocktail

Wie Captn. Silbermantel mal wieder die Welt rettete.

Die Strassen waren leer, es war dunkel und regnete. Kein Wetter, um sich draußen aufzuhalten. Aus Richtung der Kais kam ein Schatten auf die Bar zu, es war Captn. Silbermantel, in Gedanken versunken schritt er zielstrebig auf die Bar zu. Als er eintrat, verstummten die Gespräche, um kurz den neuen Gast zu mustern. Eine Katze saß unter dem Piano * und auf ihm räkelte sich Lola: "So why not - why not take all of me...?" Ihre tiefe Stimme erstarb mit den letzten Tönen des Klaviers, sie warf ihm einen unergründlichen Blick zu. "Kein Wetter für Geschäfte..." Quark schob dem Captain missmutig seinen Blutwein herüber und deutete mit einem Kopfnicken auf das halbleere Lokal. Lolas rubinrotes Paillettenkleid funkelte im Halbdunkel der Bar wie ein Klasse 4 Nebel, bevor es sich aufzulösen schien. "Was hat sie denn?" * "Ich weiss auch nicht... Sie ist schon den ganzen Tag so merkwürdig." antwortete die Katze während sie über irritierende Zwischenstufen zu humanoider Gestalt morphte. Der Captain zog die Augenbraue hoch "Zulanis, bitte... muss es ausgerechnet die Monroe sein?" "Wer wäre dir lieber, mein Schatz? James Dean?" fauchte Zulanis zurück und begann mit der Ausbildung einer Antiklederoberfläche *

Er sniefte deutlich hörbar durch die fünf Nasenlöcher, die er sich vor kurzem im beta Quadranten machen ließ. Er konnte sich zwar nicht erinnern, was ihn dazu getrieben hatte, das Resultat war jedenfalls grauenvoll. Er hatte eine Scheiß - Laune. Die ganze Woche schon. Zwei der Nasenlöcher schmerzten. "Quacksalber verdammte" raunzte er ebenso mißmutig wie für die sonstigen Anwesenden unverständlich vor sich hin. Zulanis, die zwischenzeitlich die Form des von ihr so geliebten Empire-Sessels angenommen hatte, platzen vor Wut fast sämtliche Nieten ab. Er schaffte es doch immer wieder sie in kürzester Zeit so aufzuregen, dass die Synopsen ihrer multistrukturalen Neuro- Quasare ihre Integrität verloren und sie nahezu unkontrolliert die Mobiliarien der gesamten Datenbank der Sternenflotte durchformte. Trotz der steten Beschäftigung mit unzähligen Erklärungsversuchen was ihn in den beta Quadranten getrieben hatte, war der Captain aufmerksam genug um eine kleine Irritation in Lolas Bewegungsablauf zu bemerken. Er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass ihre Zeit nicht mit der seinen synchron zu sein schien. *

Plötzlich war der Raum für wenige Sekunden gefüllt mit Katzen, ja, alle vorher Anwesenden hatten sich in Katzen verwandelt. Jetzt war wieder alles normal, nur Lola war verschwunden, vielleicht auch besser so. Was hatte ihn eigentlich in diesen Quadranten, und dann noch auf diesen abgelegenen Planeten voller hirnamputierter Wechselformer getrieben? Immer wenn er versuchte, sich daran zu erinnern, vibrierten seine Kortikalknoten. Warum hatte er überhaupt welche, und woher wusste er das? Wusste er das wirklich? Ihm war das alles zuviel für heute, er wollte weder über diese multiformen Quadrantzonen-randgebietsgeschöpfe noch über sein verunstaltetes Riechorgan nachdenken. Seine Kortikalknoten vibrierten immer stärker, was ein eindeutiges Zeichen war, schnellsten in den Hierbimmel zu gehen und mit seinen Freunden viel Morphonapseschnaps zu sich zu nehmen. Das Gesöff sah zwar gar ekelig aus, war aber eigentlich das einzig trinkbare in dieser Galaxis, schmeckte es doch nach feinstem terranem GinTonic. * Leider war der Hierbimmel mehr Galaxien entfernt als er Nasenlöcher hatte - unerreichbar!

Wieder sniefte er heftig durch seine fünf Nasenlöcher und wandte sich der unerfreulichen Gegenwart zu. Sein Kopf vibrierte immer stärker, schien sich von innen heraus aufzulösen und die Aussenwelt tat es ihm gleich. Durch den Nebel erahnte er nur schemenhaft Katzen, oder was auch immer sie waren. Eines der Wesen eilte mit einem unsympathisch aussehenden Instrument auf ihn zu und als es in seinen Schädel eindrang, shiftete er schlagartig zurück in die Bar, seine Schmerzen waren weg, doch sein Kurzzeitgedächtnis verflüchtigte sich in einer Wattewolke. Er taumelte. Lola sass neben ihm an der Bar und sah ihn aufmerksam an. * Und wieder wurde ihm schwindelig. Zeitparadoxien in Unimatrix 325 Gitter 555 tätschelten seinen zerebralen Kortex. Es bahnte sich eine Klasse-2-Klaustrophobie an. Er musste dringend seinen Abstands­transceiver dämpfen, sonst drohte peinlich Unheil. Ihm schwindelte schon. Doch was war das? Da, der HiveGeist erschien ihm. Oh nein, er fiel geradlinig mit der Nase zuerst gegen die Theke und dann auf den Boden. Sein Blut strömte aus allen 5 Nasenlöchern und befleckte Lolas Kleid. *

"Scheisse" sagte Lola und rollte mit den Augen. "Schon wieder einer, das ist der dritte allein diese Woche..." Quark wirkte genervt, während er die sterblichen Überreste des Retters der Galaxis aus dem Schankraum schleifte. "Hier, mein Schatz," Zulanis, die sich inzwischen für die junge Hilde Knef entschieden hatte, wedelte mit ihrem Taschentuch: "muss er denn, muss er denn zum Städele hinaus..." grinste sie, "mach dich erstmal wieder landfein, denk an die Gäste!". Lola war nicht zum Scherzen zumute, der Gedanke an den Bericht über diesen weiteren Misserfolg war ihr wesentlich unangenehmer als das virtuelle Blut auf ihrem Keid. "Computer: Programm Sinclair 9 beenden." Lola setzte den unbequemen Datenhelm ab und Zulanis verschwand mitsamt der Bar in die Schaltkreise der isotronischen Hypermatrix, zurück blieb im Labor der leblose Körper des Captains. * Was folgte war widerlich. Der Körper des toten Captains wurde bis auf die Nervenenden auseinandergenommen und untersucht. Lola fiel automatisch Gottfried Benn ein, als sie die matschigen gelblichen Reste des Gehirns in der abgetrennten Schädelhälfte begutachtete. Nur hatte sie keine kleine blaue Aster. Die hätte sie jetzt gern dem Captain zum Abschied auf das Gesuppe dekoriert. Bei Sezierungen fiel ihr immer Gottfried Benn ein. Gott weiß warum. Eigentlich war sie kein literarischer Typ. Aber manches kam sie einfach so an. "Scheiß Alter" entwischte ihr, als ob ihr irgend jemand zuhörte. "Je älter desto mehr Gedichte fallen mir ein. Gibt's doch wohl nicht." Lola hatt ernsthafte Probleme mit ihrem Alter. Sie stand kurz vor dem 37. Geburtstag. * Als sie sich genervt umwandte, um den Assistenten anzubrüllen, erwischte sie mit dem Ellenbogen die Schädeldecke des Captains, die mit lautem Krachen zu Boden ging.

Das Krachen war das erste, was in das Bewusstsein des Captains drang, als er, vom Zentralrechner unsanft geweckt, mit der Stirn gegen die Glasabdeckung seiner Stase-Kammer knallte. Er fluchte und liess sich wieder in die Kissen fallen. Langstreckenflüge hatte er noch nie gemocht, aber an Bord dieses verrotteten Uraltfrachters waren sie wirklich eine Tortur. Warum hatte er sich diese Karikatur von Raumschiff bloss andrehen lassen? Es war ein Fehler gewesen, die Warnung des Systems beim Start zu übergehen und die MindControl-Routinen nicht neu zu programmieren: die zugespielte Mischung aus willkürlich verknüpften Datenbank- und persönlichen Logbucheinträgen war einfach lächerlich... blaue Aster, Hilde Knef, Nasenlocherweiterungen... und überhaupt: Lola war erst 28. Er vermisste sie sehr. * So lag er noch einige Momente und versuchte klar zu werden. Er hatte keine Ahnung wo er sich befand. Eigentlich hätte er erst kurz vor dem Landeanflug auf den Mond erwachen sollen. Er sah zur Bordluke hinaus. Ein Haufen Sterne, die ihm vollkommen fremd waren. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Er musste herausfinden was geschehen war. Auf dem Weg zur Kommandozentrale fiel ihm nichts weiter auf. Alles so, wie er es vor seinem Tiefschlaf verlassen hatte. Er beruhigte sich etwas. Vielleicht bloß eine Fehlfunktion des Hauptrechners. Er hatte mal eine Statistik gelesen, nach der auf einem von 1500 Langstreckenflügen der Computer streikte. Die meisten dieser Vorfälle führten dazu, dass die Sauerstoffversorgung in der Stase - Kammer ausfiel. Das schlimme schien ihm dabei nicht der Erstickungstod zu sein, den bekäme man ja nicht mit. Aber beim Öffnen der Kammer und der plötzlichen Saustoffzufuhr verpuffte der Körper zu Staub. Das schien ihm irgendwie nicht angemessen für einen Captain zu sein. Als verpuffender Haufen Dreck zu enden. Davor hatte er Angst.

Vor ihm lag der Eingang zur Kommandozentrale. Die magnetische Schiebetür war verschlossen. Er trat in die Lichtschranke, mit der sich die Türen an Bord automatisch öffnen, es zischelte leicht und er trat ein. Was ihm vorher als leichtes Grausen die Unterarme hinabgestiegen war, ließ jetzt seinen Puls rasen und seinen Brustkorb wie mit einem großflächigen Gewinde zusammenquetschen. Es war ihm jetzt völlig klar. Er war nicht allein * und doch fühlte er sich so einsam wie schon lange nicht mehr, so verlassen vielleicht nur wie damals, als ihn die fiesen Kameraden von der Akademie beim Staubputzen auf dem Mars allein zurückgelassen hatten... Die Brücke war dunkel und die das leise Rauschen der Rechnersysteme erfüllte den Raum, nur die Controls von Flugsteuerung und Lebenserhaltung schimmerten rötlich, undeutlich war der Kommandosessel vor dem Hauptschirm zu sehen - doch was zu erkennen war, gefiel ihm gar nicht: eine schmale Rauchsäule stieg hinter der Rückenlehne in eleganten Wirbeln zur Zentralkuppel auf, es roch nach - dope?! Langsam drehte sich der Sessel * Oh nein, eine Ganja-Drohne. Immerhin ein Geschöpf der heimischen Galaxis, nicht dieser Quatsch aus seinen Träumen. OK, keine angenehme Situation, aber lösbar. Er könnte versuchen, sie zu überwältigen. Aber das hätte nicht viel Sinn. "Ich kann dir nicht viel anbieten, einen Container Gwoouk-Staub, ein paar Terzylium-Kristalle." Es machte nicht viel Sinn, sich gegen eine Ganja-Drohne zu wehren....Schweigen. Die Drohne schaute in ihrem zugekifften Zustand durch ihn hindurch. Immerhin wirkte sie nicht aggressiv. Und plötzlich erschallte eine Stimme, nicht aus dem Mund der Drohne, eher wie aus jeder Ecke der Kommandozentrale: "CAPTAIN, DU MUSST SIE VERNICHTEN. TÖTE DIE KATZEN, SIE SIND SCHON ÜBERALL. ES GIBT SIE, ES SIND KEINE TRÄUME. DU DARFST DEN COCKTAIL NICHT TRINKEN, DANN WIRST DU ES VERSTEHEN! WENN DU SIE NICHT VERNICHTEST, SIND UNSER ALLER TAGE GEZÄHLT." ...sprach es, und mit einem Knall verschwandt die Drohne. OK, OK, er schien noch zu träumen. Aber er stand in der Kommandozentrale, in der es immer noch noch Dope roch. Und er sah den Mond. Er sollte nach der Landung erst mal in die Bar, einen ordentlichen Cocktail...einen Cocktail? Das hatte die Drohne doch gesagt: keinen Cocktail trinken. Nun gut, dies war vermutlich nur ein fiebriger Traum, aber Schaden würde es ihm nicht, mal eine Zeit lang auf den Cocktail zu verzichten. Seit dieser Stoff vor 3 Jahren eingeführt wurde, tranken alle Menschen regelmäßig dieses Zeug, schmeckte ja auch wirklich gut. Er nahm sich vor, mal eine Woche mit den Cocktails auszusetzen. *

"Du Schuft!" brüllte Noki, kaum das der Captain die Bar betreten hatte. So hatte er sich das Willkommen auf der Erde nicht vorgestellt, "du mieser Verräter, erst drehst du mir ein Kind an und dann verschwindest du!". Alles an Noki bebte vor Wut und nur das schreiende Kind auf ihrem Arm hinderte sie daran handgreiflich zu werden, ihre entzückenden Antennen zitterten bläulich. "Liebling," wiegelte er halbherzig ab "ich konnte nicht anders. Job ist Job." Verzweifelt versuchte der Captain eine Rückzugsstrategie zu entwickeln, doch der Anblick des Babys machte alle Anstrengung zunichte - er hatte einen Sohn! Dies war sein eigener Sohn! *

Ein mächtiges Gefühl durchlief ihn. Doch dafür war jetzt keine Zeit. Zuerst musste er seine Auftraggeber treffen und die Fracht löschen. Davon hing eine Menge ab. Nicht nur hatte er sich eine schöne Stange Geld verdient. Nur so konnte er sich auch halbwegs sicher sein die nächsten 24 Stunden zu überleben. Mit Kwarrrk war nicht zu spaßen. Dabei war er nicht im eigentlichen Sinne der Bedeutungskonvention* über die Maßen "sadistisch" oder "böse".

(* Die Bedeutungskonvention wurde im ersten Konvent der Dinge und Andersheiten als uni-nutzbare Zuordnung der Gesamt- und Einzelheiten begründet und weist Attribute des jeweiligen Partikulars mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 dem jeweiligen Sinngehalt zu.)
Kwarrrk hing nur einer Strömung an, die die absolute Egozentrik als einzigen Maßstab zuließ. Das bedeutete zugleich, dass sich eine -auch nur geringste- Bemühung um Verständnis der Situation anderer aus sich heraus verbot, ja noch nicht einmal denkbar war. Um es einfach auszudrücken: Es war dem Captain überaus unwohl bei dem Gedanken sich außerhalb der Vorstellungswelt Kwarrrks zu bewegen.

o.k. Freunde. Wer macht den nächsten Satz?